Bye-Bye Wurstsalat – Servus Wildkräuterwrap
Es hat sich ausgeschnitzelt! Wanderer, die den Weg von Pfronten-Kappel aus durch den sattgrünen Bergwald hinauf zur „Hündleskopfhütte“ meistern, werden nach einem knapp einstündigen Anstieg auf 1.180 m Höhe mit einem atemberaubenden Aus- und Weitblick belohnt. Zu Füßen die wildromantische Seenund Voralpenlandschaft der Schlossparkregion, auf Augenhöhe die Allgäuer, Ammergauer sowie Tannheimer Alpenkette und das markante Zugspitzmassiv in der Ferne.
Stolz und Vorurteil
Auf den ersten Blick wirkt ihre Hütte wie eine traditionelle Bergwirtschaft, wie sie es schon immer gab: Urig, zünftig, gemütlich. Doch der Schein trügt. Kulinarisch gibt es hier eine neue Gangart. Die Tageskarte der gelernten Hauswirtschaftsmeisterin ist gänzlich fleischlos. Statt Schnitzel, Schweinegeschnetzeltem oder Speck brutzeln in den Pfannen selbstgemachte Schlutzkrapfen, auf dem Herd köcheln frische Spinatknödel und auf einem Holzbrett wird ein Sennerbrot angerichtet. Im Ofen bäckt ein goldgelber Dinkelzopf. Den gibt’s zum Kafee. Sojamilch ebenso. Beides schmeckt einfach nur köstlich und viel besser als erwartet. Von Wurst und dem Vorurteil von militanten Vegetariern oder Veganern auf ihrer Sonnenterrasse weit und breit keine Spur. Silvia verrät uns, dass sie aber auch einen super Sauerbraten kochen kann und auch die restlichen Gäste sehen nicht so aus, als würden sie tagein, tagaus nur Sojageschnetzeltes und Seitan verspeisen.
Ihre Zutaten für die zubereiteten Speisen entstammen dem Naturkostladen um die Ecke als auch von regionalen Erzeugern und Bauern; der Käse aus einer Sennerei, die gentechnikfrei arbeitet. Gemüse in Demeter-Qualität kommt zum Einsatz mit ausgezeichnetem Biosiegel. Selbst beim Kafee wird auf „Hand in Hand“ Projekte geachtet, bei welchen die faire, ehrliche Entlohnung der Arbeiter auf den Kafeeplantagen im Fokus stehen. Ebenso fair und nachhaltiger Anbau wird dadurch gefördert.
Offenbar hat Silva Beyer mit ihrem kulinarischen Perspektivenwechsel einen Nerv der Zeit getroffen. Wer sich in den Alpen bewegt, bekommt schon längst den Eindruck, dass nicht mehr nur der Weg das Ziel ist, sondern auch der Wirt. Schließlich verbinden Genusswanderer mit dem Einkehrschwung in den Bergen längst mehr als nur Blutzuckerspiegel und Kalorienbilanz. Die Zeiten von panierten Fleischfetzen aus der Fritteuse und Nudeln mit Ketchup auf einer Berghütte sind - Gott sei Dank - vorbei. Erwartet wird vom Wirt eine gute Küche; frisch und regional bei urigem Hüttencharme. „Viele typische Hüttengerichte vom Kaiserschmarrn bis zu den typischen Käsespatzen sind ohnehin schon je her fleischlos, doch „Warum dann nicht auch vegetarisch und vegan?“, dachte sich Silvia Beyer und erfüllte sich damit einen Herzenswunsch.
Kulinarische Experimente liegen ihr im Blut. Bereits ihre Oma betrieb eine für die damalige Zeit eher ungewöhnliche Küche ohne Fisch, Fleisch, Zucker und Weißmehl, ganz nach dem Vorbild des schwedischen Ernährungsreformers Are Waerland - 100% vegetarisch. Auf ihrem Bauernhof aufgewachsen erlernte Silvia von ihr das Kochen und wurde aus Tierliebe ab ihrem Teenageralter selbst zu einer bekennenden Vegetarierin. Später auf dem Demeterhof auf der Schwäbischen Alb sammelte sie eigene Erfahrungen mit biologisch-dynamischer Anbauweise. Seitdem kann Silli, wie die Hüttenwirtin häufig genannt wird, die Lebensweise ihrer Oma noch besser nachvollziehen. Die täglichen Fragen „Was esse ich heute und wie bereite ich es zu?“ begleiten Silli schon lange. Gearbeitet hat die quirlige Allgäuerin schon auf verschiedenen Hütten – immer mit genug Gemüsepower am Start sowie abwechslungsreichen neuen Kochinspirationen, welche sie in ihrer eigenen Hütte voll und ganz umsetzen kann.
Hütten-Wrap rockt, nicht nur in Zeiten von Corona
Auch die Hündleskopfhütte merkte die Auswirkungen von Corona, doch Silvia wusste sich in Zeiten von Lockdown zu helfen: Die Idee des Hüttenwraps war geboren. Selbstgemachter Teig mit heimischem Kräutermix, obendrauf Sennerschmaus (eine Art Käse creme) und in der Mitte frischer eingerollter Salat. Ein Gaumenschmaus to go. Weil ihr langjähriger Koch namens Ali, der bei Silvia sogar den Praxisteil seiner Ausbildung als Fachkraft für Gast Tourismusverband und war sofort Feuer und Flamme für diese Kampagne. Die „Botschafter-Familie“, wie Silli sie nennt, macht vor allem die Vielfältigkeit, einzelner herausragender Ideen, besondere Berufe und den urigherzlichen bayerischen Charme aus, der alle miteinander verbindet. Immer wieder kommen kommunale Kamerateams zum Videodreh vorbei1 . Die Clips zeigen die Hütte im Rundumblick bei „griabigem“ Flair, wo die Besucher lecker, frisch und regional vom Hüttenteam bekocht werden – außer es gibt mal wieder ein pakistanisches Gericht am Ende des Monats. Und das alles bei fulminanter Bergkulisse. Im Winter kann man die Wegstrecke gemütlich mit dem Rodel wieder hinabfahren oder sich bei einem Schlittenrennen gegenseitig herausfordern. Was braucht man mehr zum Glücklichsein?